Grundkurs Wirtschaft

für Wirtschaftsinformatiker

4.6.3 Kalkulatorische Kosten

Autoren: Peter Paic & Julian Schopp

In Kapitel 2.4 Grundbegriffe des Rechnungswesens wurden bereits die kalkulatorischen Kosten als Zusatzkosten, also Kosten, die kein Aufwand sind, dargestellt.

Aufgabe der kalkulatorischen Kosten ist es, den aus Sicht der Kostenrechnung korrekten Werteverzehr darzustellen, der durch den Einsatz der verschiedenen Produktionsfaktoren entsteht.

Insbesondere der Grundsatz der Vorsicht (§ 252 I Nr. 4 HGB) verhindert den Ansatz kalkulatorischer Kosten im externen Rechnungswesen, während ebensolche Ausgaben in der Kosten- und Leistungsrechnung von Bedeutung sein können, um die Aussagefähigkeit der Abrechnung zu erhöhen (Eisele und Knobloch 2011, S. 812).

Zu den kalkulatorischen Kosten gehören kalkulatorische Abschreibungen, kalkulatorische Zinsen, kalkulatorische Wagniskosten, kalkulatorischer Unternehmerlohn und kalkulatorische Miete.

Die beiden letztgenannten Kosten fallen dann an, wenn ein Unternehmer sich kein Gehalt für seine geschäftsführende Tätigkeit auszahlt und in diesem Fall ein kalkulatorischer Lohn angesetzt wird oder der Unternehmer Gebäudeflächen im Privatbesitz unentgeltlich dem Unternehmen zur Verfügung stellt und in diesem Fall eine kalkulatorische Miete berechnet wird (Birker 1996, S. 50).

Kalkulatorische Abschreibungen, Zinsen und Wagniskosten werden im folgenden Abschnitt näher erläutert.



Kalkulatorische Abschreibungen

Kalkulatorische Abschreibungen sollen den Werteverzehr, der durch die Nutzung des betriebsnotwendigen Anlagevermögens (Betriebsmittel) entsteht, verursachungsgerecht, auf Abrechnungsperioden verteilt, erfassen (Verteilungsfunktion).

Die Abschreibung wird im Rahmen der Kostenrechnung weiterverrechnet und fließt somit in die Preiskalkulation ein. So soll sichergestellt werden, dass bis zum Ende der Nutzungsdauer genügend Finanzmittel zurückgeflossen sind, um eine Ersatzinvestition tätigen zu können (Finanzierungsfunktion) (Eisele und Knobloch 2011, S. 813).

Um die jährlichen Abschreibungen berechnen zu können, sind die folgenden Informationen notwendig:

Die Abschreibungssumme, also der Betrag der in Summe abzuschreiben ist,

  1. die Abschreibungsdauer, der Zeitraum innerhalb dessen das Betriebsmittel abzuschreiben ist, und

  2. die Abschreibungsmethode, das Verfahren nach dem die Abschreibungssumme für die jeweiligen Abrechnungsperioden zu ermitteln ist.

Im Unterschied zu bilanziellen Abschreibungen besteht für kalkulatorische Abschreibungen kein enges gesetzliches Korsett, sodass nicht zwingend Anschaffungs- bzw. Herstellungswerte als Basis für die Berechnung der Abschreibungen herangezogen werden müssen und auch die Abschreibungsdauer nicht vorgegeben ist (Eisele und Knobloch 2011, S. 813).

Herstellungskosten werden im Rahmen der Kostenrechnung nur herangezogen, wenn die Preise des jeweiligen Betriebsmittels relativ konstant sind. Steigen die Preise jedoch an, sind die Abschreibungsbeträge in Summe nicht ausreichend, um eine Ersatzinvestition zu tätigen.

Aus diesem Grund werden bei sich verändernden Preisen der Wiederbeschaffungszeitwert, also der Wert zum jeweiligen Bezugszeitpunkt, zur Berechnung der Abschreibungen herangezogen (Eisele und Knobloch 2011, S. 813).

Die Abschreibungsdauer ist abhängig von der Nutzungsdauer des Anlagegutes. Das Anlagegut wird solange abgeschrieben, wie es tatsächlich in der betrieblichen Produktion eingesetzt wird.

Da die tatsächliche Nutzungsdauer nur im Wege einer Prognose geschätzt werden kann, besteht die Möglichkeit, dass kalkulatorische Abschreibungen in Summe größer sind als die Herstellkosten bzw. die Kosten für eine Ersatzinvestition (Eisele und Knobloch 2011, S. 813).

Von den unterschiedlichen Abschreibungsmethoden erfüllt die Leistungsabschreibungen am ehesten das Verursachungsprinzip (Eisele und Knobloch 2011, S. 814). Nach der Methodik der Leistungsabschreibung erfolgt die Abschreibung in Abhängigkeit der jeweiligen Inanspruchnahme des Anlagegutes.




Abschreibungsbetrag für Abrechnungsperiode n =

 "Abschreibungssumme" /"Gesamtleistungsmenge"   x Leistungsmenge in der Abrechnungsperiode n

Beispiel: Steve kauft eine Druckstraße für 100.000 Euro mit einer erwarteten Gesamtleistung von zwei Mio. Blatt. Im ersten Nutzungsjahr werden 400.000 Blatt gedruckt.

"100.000 €" /"2.000.000"   x 400.000 = 20.000 €

Die Abschreibung im ersten Nutzungsjahr beträgt 20.000 Euro.

Voraussetzung für diese Abschreibungsmethodik ist jedoch, dass sich die zu erwartende Gesamtleistungsmenge zuverlässig abschätzen lässt.

Da dies in der Praxis häufig nicht der Fall ist, kommen regelmäßig die lineare und die geometrisch-degressive Abschreibung zum Einsatz.


Im Wege der linearen Abschreibung wird die Abschreibungssumme gleichmäßig über die Abschreibungsdauer verteilt und abgeschrieben.

Orientiert an den Herstellkosten würde ein Server für 2.000 Euro mit einer Nutzungsdauer von fünf Jahren nach der linearen Abschreibung wie folgt abgeschrieben werden:

Im Wege der geometrisch-degressiven Abschreibung werden anfangs relativ hohe Abschreibungsbeträge angesetzt, während diese im Lauf der Nutzungsdauer kontinuierlich sinken (Eisele und Knobloch 2011, S. 814).

Die jährlichen Abschreibungsbeträge werden ausgehend von einem festen Prozentsatz von der gesamten Abschreibungssumme im ersten Jahr bzw. dem Restbuchwert in den Folgejahren berechnet.

Bezogen auf das soeben dargestellte Beispiel und ausgehend von einem Abschreibungsprozentsatz von 31 Prozent ergeben sich für die degressive Abschreibung folgende Abschreibungsbeträge:

Wird nun nicht von einem sich verändernden Preisniveau mit einer jährlichen Preissteigerung von vier Prozent ausgegangen und nicht auf die Herstellkosten als Abschreibungssumme abgestellt, sondern auf den Wiederbeschaffungswert, verändern sich die Beispielrechnungen für die lineare und geometrisch-degressive Abschreibung.

Für die geometrisch-degressive Abschreibung ergeben sich bei einem festen Abschreibungsprozentwert von 25 Prozent die folgenden Werte. 


Trotz der Berücksichtigung des Wiederbeschaffungszeitwertes (WBZ) wird nicht der vollständig notwendige Betrag zur Wiederbeschaffung des Anlagegutes, also der WBZ im letzten Abschreibungsjahr, durch die Abschreibungen gedeckt.

Die Fehlbeträge sind in der Praxis in der Regel unproblematisch, da durch die Preise veräußerter Leistungen, die die Abschreibungsbeträge berücksichtigen, Finanzmittel zur Verfügung stehen, die bis zum Zeitpunkt der Ersatzinvestition zinsbringend angelegt werden können.

Da die Ermittlung von jährlichen Preissteigerungen für die jeweiligen Anlagegüter in einem Unternehmen zu aufwändig ist, werden Preisindizes des Statistischen Bundesamtes verwendet.

Mithilfe des Preisindexes können so Jahr für Jahr die aktuellen Wiederbeschaffungszeitwerte ermittelt werden. Für die Berechnung wird hierbei die folgende Formel verwendet:

WBZ = "Anschaffungswert x Preisindex (des laufenden Jahres)" /"Preisindex (Anschaffungsjahr -1)"

Beispiel: Im Jahr 2013 betrug der Kaufpreis des Servers 2.000 Euro. Die Preisindizes für die Jahre 2012, 2013 und 2014 lagen bei 100, 91,3 und 85,8. Die Wiederbeschaffungszeitwerte für die Jahre 2013 und 2014 berechnen sich wie folgt:

WBZ 2013 = "2.000 € x 91,3" /"100"  = 1.826 €

WBZ 2014 = "2.000 € x 85,8" /"100"  = 1716 €

Im aufgeführten Beispiel ist ein für die IT durchaus typischer Fall eingetreten, dass die Wiederbeschaffungszeitwerte aufgrund des technischen Fortschrittes in den Jahren 2013 und 2014 gesunken sind.

Der Einsatz von Wiederbeschaffungszeitwerten dient dazu, Abschreibungen reeller an den tatsächlichen preislichen Entwicklungen anzuknüpfen und kommt somit insbesondere der Finanzierungsfunktion nach.

Somit lassen sich beispielsweise Preissprünge verhindern, wenn Ersatzinvestitionen notwendig werden, die durch die preisliche Entwicklung deutlich teurer sind als die Beschaffungskosten des ursprünglichen Anlagegutes.


Kalkulatorische Zinsen

Während das externe Rechnungswesen nur die tatsächlich aufgewendeten Zinszahlungen für Teile des Fremdkapitals kennt, werden in der Kosten- und Leistungsrechnung Zinsen für das gesamte im Betriebsprozess gebundene Kapital berechnet.

Damit spiegelt die Kostenrechnung die Sicht wider, dass jegliches betriebsnotwendige Vermögen finanziert werden muss und das hierfür notwendige Kapital nicht kostenlos zur Verfügung steht (Birker 1996, S. 48).

Zur Berechnung der kalkulatorischen Zinsen ist einerseits das betriebsnotwendige Kapital abzugrenzen und anderseits der Kalkulationszinssatz zu bestimmen.

Für die Ermittlung des betriebsnotwendigen Kapitals sind also nicht betriebsnotwendige Vermögensteile, wie z. B. Wohngebäude im Anlagevermögen oder Wertpapiere im Umlaufvermögen, herauszurechnen (Birker 1996, S. 48).

Um den Wert der Bestandteile des betrieblichen Vermögens zu berechnen wird der Wiederbeschaffungszeitwert angesetzt.

Wie im letzten Abschnitt dargestellt, wird abnutzbares Vermögen über eine gewisse Zeitdauer abgeschrieben, sodass der Restwert zum Ende der Abschreibungsdauer null beträgt oder einen geringen Restwert aufweist.

Diesem Umstand wird bei der Berechnung der kalkulatorischen Zinsen Rechnung getragen, indem der halbe Wiederbeschaffungszeitwert in der Berechnung angesetzt wird, denn dieser würde im Falle einer linearen Abschreibung den durchschnittlich im Betrieb für das Anlagegut gebundenen Kosten entsprechen (Durchschnittswertverfahren) (Eisele und Knobloch 2011, S. 817).

Eine Alternative zum Durchschnittswertverfahren ist das Restbuchwertverfahren, nach dem der jeweilige Restbuchwert am Ende einer Abrechnungsperiode als Basiswert zur Bestimmung der kalkulatorischen Zinskosten zur Anwendung gebracht wird.

Die Verwendung der Restbuchwertmethode führt jedoch zu stark schwankenden Zinskosten über die Abschreibungsdauer des Anlagegutes. Die Berechnung der kalkulatorischen Zinskosten für ein Anlagegut erfolgt nach den verschiedenen Verfahren wie folgend dargestellt:


Restbuchwertverfahren:
Kalk. Zinsen = Restbuchwert x  "Zinssatz" /"100"

Durchschnittswertverfahren:
Kalk. Zinsen = "Anschaffungswert" /"2"  x "Zinssatz" /"100"

Der anzusetzende Zinssatz orientiert sich an dem Zinsniveau des Kapitalmarkts für langfristige Kredite (Eisele und Knobloch 2011, S. 818).

Beispiel: Steve hat im Jahr 2011 einen Server für 2.000 Euro mit einer Nutzungsdauer von fünf Jahren eingekauft. Zum Ende des Jahres 2013 beträgt der Restbuchwert 700 Euro.

Der Kapitalmarktzins für langfristige Kredite beträgt sechs Prozent. Wie hoch sind die kalkulatorischen Zinskosten zum Ende des Jahres 2013 nach dem Restbuchwertverfahren und nach dem Durchschnittswertverfahren?

Restbuchwertverfahren:
Kalk. Zinsen = 700 € x  6/"100"  = 42 €

Durchschnittswertverfahren:
Kalk. Zinsen = "2.000 €" /"2"  x 6/"100"  = 60 €

Kalkulatorische Wagniskosten

Der betriebliche Alltag ist mit einer Vielzahl von Risiken bzw. Wagnissen verbunden, die das Gesamtergebnis des Unternehmens negativ beeinflussen können, aber in ihrer Höhe und dem Zeitpunkt des Eintretens nicht vorhersehbar sind.

Ob für Risiken Wagniskosten angesetzt werden, hängt von der Art der Risiken ab.

Allgemeine Unternehmensrisiken, wie z. B. der technische Fortschritt, ein konjunktureller Abschwung oder die Inflation, sind nicht kalkulierbar und somit nicht in der Kostenrechnung abbildbar.

Spezielle Risiken hingegen, die im Zusammenhang mit dem betrieblichen Leitungsprozess stehen, werden in der Kostenrechnung durch kalkulatorische Wagniskosten berücksichtigt.

Zu diesen Wagnissen gehören zum Beispiel:

  • Gewährleistungswagnisse, die z. B. durch Garantieverpflichtungen zu Ersatzlieferungen oder Preisnachlässen führen können;
  • Beständewagnisse, die z. B. durch materiellen oder wertmäßigen Verfall oder Schwund von Lagerbeständen bestehen;

  • Anlagewagnisse, die durch Beschädigung oder Zerstörung von Anlagen, wie z. B. Maschinen zu Wertverlusten führen;
  • Fertigungswagnisse, die durch Arbeits- und Konstruktionsfehler zu Mehrkosten führen können.

Werden solche Wagnisse durch Versicherungen abgedeckt, sind hierfür keine kalkulatorischen Wagniskosten anzusetzen, da die Versicherungsbeiträge unter der Position der Dienstleistungskosten bereits in die Kostenrechnung einfließen.

Besteht ein Versicherungsschutz hingegen nicht, sind diese unregelmäßigen und zeitlich nicht vorhersehbaren Verluste durch periodisch regelmäßige Wagniskosten auszugleichen, sodass sich langfristig die entstehenden Verluste und die hierfür angesetzten Wagniskosten einander ausgleichen.

Der Unternehmer übernimmt sozusagen selbst die Rolle des Versicherers, indem er einerseits für die Schadenssumme aufkommt und anderseits selbst regelmäßige „Versicherungsbeiträge“ in Form von Wagniskosten ansetzt (Eisele und Knobloch 2011, S. 822).

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